Fair von der Schraube bis zum fertigen PC oder Drucker – die Verpflichtungserklärung zur sozialen Nachhaltigkeit regelt die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards in der öffentlichen IT Beschaffung. Die Erklärung wurde 2016 nach Vorgaben der Bundesregierung aufgesetzt und 2019 in einer gemeinsamen Initiative des Digitalverbands Bitkom und des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern (BeschA) aktualisiert. Im Interview erklärt Marc Danneberg, Bereichsleiter des Public Sectors bei Bitkom e. V., wie das Dokument öffentliche Auftraggeber, und damit auch Kommunen, bei der Festlegung der Einkaufsbedingungen für die sozial nachhaltige Beschaffung vom Produkten und Dienstleistungen aus dem Bereich Informations-, und Kommunikationstechnologie (ITK) unterstützt.
Die Verpflichtungserklärung zur sozialen Nachhaltigkeit – was ist das?
Die Verpflichtungserklärung hilft öffentlichen Einkäufern dabei, zu überprüfen ob bei Beschaffungen im ITK-Bereich die Normen der International Labor Organisation (ILO) eingehalten werden. Die ILO hat bestimmte Arbeits- und Sozialstandards ausgearbeitet, die zum Beispiel das Recht auf gemeinsame Verhandlung von Arbeitsverträgen oder das Verbot von Kinderarbeit umfassen. Diese Kernarbeitsnormen werden leider nicht auf der ganzen Welt eingehalten. Es gibt immer noch viele Produkte, die durch ausbeuterische Arbeitsverhältnisse hergestellt werden – auch bei der Fertigung von IT-Produkten. Wer in der öffentlichen Verwaltung, auch in Kommunen für die Beschaffung von solchen Produkten verantwortlich ist und sichergehen möchte, dass sie fair produziert sind, kann die Verpflichtungserklärung zur sozialen Nachhaltigkeit bei ITK-Beschaffungen einsetzen. Diese Erklärung hilft der öffentlichen Hand dabei, sicherzustellen, dass sie nur einkauft, was unter menschenrechtlicher Sorgfalt hergestellt wurde.
Wer nutzt die Erklärung?
Vor allem öffentliche Auftraggeber von Bund, Ländern und Kommunen nutzen die Erklärung, wenn Sie Produkte und Dienstleistungen aus dem ITK-Bereich beschaffen. Bei Vergabeverfahren wird die Erklärung in die Ausschreibungsunterlagen aufgenommen. Bieter, die sich am Verfahren beteiligen, müssen die Verpflichtungserklärung unterschreiben. Durch ihre Unterschrift sichern sie zu, dass sie für faire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette des angebotenen Produktes Sorge tragen. Die Auftragnehmer und ihre Zulieferer müssen nachweisen, dass sie die Anforderungen einhalten. Zusätzlich muss der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Möglichkeit geben, bei der Verwaltung zu überprüfen, ob die Arbeitsnormen wirklich eingehalten werden. Es ist eine Auftragsausführungsbestimmung.
Soziale Arbeitsbedingungen gemäß der ILO – was bedeutet das?
Es geht zum Beispiel darum, dass bestimmte Standards zum Arbeitsschutz eingehalten, sowie
Zwangsarbeit und jede Form der Kinderarbeit ausgeschlossen werden. Zudem ist es wichtig, dass das Recht auf Gemeinschaftsverhandlungen gelebt und Diskriminierung sowie ausbeuterische Überstunden verhindert werden. Es handelt sich hier um nicht verhandelbares Menschenrecht. Das gilt selbstverständlich nicht nur für Deutschland, sondern auch für den Fall, dass zum Beispiel die bestellten Drucker im Ausland zusammengeschraubt werden.
Wie sehr sind die Anbieter, die Verpflichtungserklärung unterzeichnet haben, an diese gebunden?
Es ist keine Absichtserklärung, sondern eine Verpflichtungserklärung, inklusive Nachweispflichten. Zum Beispiel über Audits oder bestimmte Siegel muss die Einhaltung der Vorgaben belegt werden. Wer dem nicht nachkommt, verstößt gegen den Vertrag und muss mit Sanktionen rechnen. Ein Verstoß kann bis zur Auflösung des Vertrages führen.
Welche Erfahrungswerte in der Anwendung gibt es aus Kommunen?
Die Erklärung wird in erster Linie von öffentlichen Auftraggebern, also auch Kommunen, genutzt. Seit Verabschiedung des Digitalpaktes im Jahr 2018, mit dem sich Bundesregierung und Bundestag erklären, die Digitalisierung in allgemeinbildenden Schulen fördern wollen, wird die Verpflichtungserklärung verstärkt für den schulischen Bereich und Hochschulen genutzt. Zum Beispiel beschaffen die Einrichtungen PCs, Laptops, Monitore und Hardware. Viele Sachaufwandsträger integrieren die Verpflichtungserklärung inzwischen standardmäßig in ihre Ausschreibungen.
Wie kompliziert ist die Einbindung des Dokuments, etwa in eine Ausschreibung?
Der Vorgang, die Verpflichtungserklärung zu den Vergabeunterlagen und den Ausführungsbestimmungen hinzuzufügen, ist erst einmal sehr einfach. Doch für den Umgang mit dem Dokument und Zusatzinfos, beispielsweise über die Aktualisierungen die im Jahr 2019 vorgenommen wurden, ist ein regelmäßiger Austausch wichtig. Zu den Hintergründen und zur Handhabung bieten wir gemeinsam mit dem Beschaffungsamt des Bundesministeriums regelmäßig Online-Seminare an. Die werden sehr gut nachgefragt.
Über Bitkom
1999 gegründet, vertritt Bitkom e.V. an die 3.000 Mitgliedsunternehmen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen – darunter rund 1.000 leistungsstarke KMUs, über 500 innovative Tech-Startups, nahezu die Hälfte der 40 DAX-Unternehmen und viele weitere Global Player.
Übergeordnetes Ziel des Bitkom ist es, Deutschland zu einem führenden Digitalstandort zu machen, die digitale Transformation der deutschen Wirtschaft und Verwaltung voranzutreiben, digitale Souveränität zu stärken und eine breite gesellschaftliche Teilhabe an den digitalen Entwicklungen zu erreichen.
Weitere Informationen:
- Zur Verpflichtungserklärung https://www.nachhaltige-beschaffung.info/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2019/190507_Verpflichtungserkl%C3%A4rung.html
- Kernarbeitsnormen nach den Grundprinzipien der ILO https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.html