Im Pakt zur nachhaltigen Beschaffung engagieren sich Städte, Gemeinden und Landkreise in der Metropolregion für einen Einkauf nach sozialen und ökologischen Kriterien. Gemeinsam erfassen und veröffentlichen sie ihre Beschaffungen und setzen sich jährlich ein gemeinsames Ziel. Herr Mützel, Sie nehmen mit der Stadtverwaltung Neumarkt an der metropolregionsweiten Erfassung bereits zum zweiten Mal teil:
Woher kam 2020 die Motivation sich als Verwaltung an der Erfassung zu beteiligen?
Die Beteiligung hat den großen Mehrwert, sich mit anderen Kommunen vergleichen und vor allem eine positive Außendarstellung nutzen zu können. Aber am wichtigsten ist es, damit zu signalisieren, dass wir gemeinsam in der gesamten Metropolregion zeigen, dass uns Ressourcenschonung und nachhaltiger Einkauf wichtig ist.
Welche Schritte haben Sie zur Einführung der Erfassung unternommen?
Das Team der Fairen Metropolregion hat zunächst frühzeitig einen Workshop für die Stadtverwaltung organisiert und die Beschaffungsmethodik dargestellt. Dies hat dabei geholfen, die Zielsetzung und die Vorgehensweise bei den Kolleginnen und Kollegen in den Ämtern zu verdeutlichen. Im weiteren Verlauf habe ich dann die Koordinierung bei der Erfassung der Daten übernommen.
Wie sind Sie bei der Erfassung vorgegangen?
Wir haben natürlich den Erfassungsbogen der Entwicklungsagentur als Grundlage herangezogen und diesen nochmal individuell auf Neumarkt angepasst. Diesen Bogen habe ich dann als Excel Erfassungsdokument zusammen mit Hintergrundinformationen an alle KollegInnen in den Ämtern geschickt, die primär mit Beschaffung zu tun haben. Wichtig dabei ist natürlich eine ausreichende Bearbeitungsfrist zu setzen, aber auch eine freundliche Erinnerung, falls es mit dem Ausfüllen zeitlich eng wird. Letztlich stand ich als Ansprechpartner immer zur Verfügung und habe viele Einzelgespräche zu Detailfragen geführt.
Welche Aspekte haben Sie bei der Durchführung besonders überrascht?
Wie schon bei einer ersten Erfassung hat es mich überrascht, dass wir wieder auf eine recht beachtenswerte Summe von Beschaffungen gekommen sind, die nach Nachhaltigkeitskriterien vorgenommen wurden. Zudem war zu sehen, dass schon in vielen Bereichen auf Nachhaltigkeitskriterien geachtet wird.
Wie haben Sie Ergebnisse aufgearbeitet?
Ich erstelle zu den Ergebnissen wieder eine Übersicht mit den wichtigsten Produktgruppen, den Beschaffungssummen sowie den Siegeln, nach denen beschafft wurde. Diese Übersicht wird hausintern an alle Ämter geschickt und auch für einen Presseartikel aufbereitet.
Welche inhaltlichen Erkenntnisse konnten Sie daraus entnehmen?
Viele Produkte wurden im betrachteten Jahr 2021 in ähnlicher Größenordnung wie vorher wiederbeschafft, so z.B. Geschenke aus Fairem Handel, Druckerzeugnisse mit dem FSC Siegel oder Arbeitskleidung, zertifiziert von der Fair Wear Foundation. Es gibt aber auch Beschaffungen, die komplett neu und damit sehr konsequent ausgerichtet wurden, allen voran die vollständige Umstellung des Drucker- und Kopierpapiers auf 100 % Recyclingpapier mit dem Blauen Umweltengel. Bei weiteren Bereichen sind Optimierungen auch in schwierigen Beschaffungsbereichen festzustellen, so z.B. IT Geräte mit dem TCO Siegel oder erstmalig nachhaltig und fair produzierte Diensthandys.
Welche nächsten Schritte sind aus dieser zahlenmäßigen Auswertung heraus angegangen worden bzw. angedacht?
Als nächsten Schritt ist für Neumarkt geplant, die Richtlinien für nachhaltige Beschaffung redaktionell zu überarbeiten und Siegel mit aufzunehmen, die bisher noch nicht enthalten sind. Es geht vor allem darum, dass die Kolleginnen und Kollegen sehr schnell erkennen und bewerten können, welche Produkte nachhaltig hergestellt wurden. Dazu möchte ich auch gerne einen Workshop durchführen.
Haben sich mittel-/langfristige Zielsetzungen daraus ergeben?
Mittelfristig bis langfristig sollen Produktgruppen in den Fokus genommen werden, die bisher nur ansatzweise betrachtet werden, z.B. im Bausektor. Hier werden große Summen in die Hand genommen, um Gebäude zu errichten bzw. zu sanieren. Die Betrachtung der Beschaffungsebene in Bezug auf Baustoffe wird hier bisher nur selektiv und qualitativ vorgenommen, weil es schlichtweg zu aufwendig, aber auch zu komplex ist, diese Produktgruppen systematisch zu erfassen, was nicht heißt, dass nicht bereits nachhaltig gebaut wird. Hier braucht es aber zum einen mehr hausinterne und auch externe Unterstützung des Bauamtes, zum anderen mehr Bewusstseinsbildung was das Thema nachhaltiges Bauen betrifft. Hinzu kommt, im politischen Raum Argumente zu haben, dass nachhaltiges Bauen nicht teurer ist, zumindest wenn der Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet wird. Dieses Thema darf sich keineswegs auf Klimaschutz und Energieeffizienz beschränken, sondern muss vor allem auch die Baustoffe im Blick haben. In Neumarkt haben wir hier ein ambitioniertes Projekt im Rahmen des Neubaus einer Kita in Planung, bei der nachhaltig zertifiziertes Holz aus dem Stadtwald verbaut werden soll.
Was motiviert Sie, sich zum zweiten Mal an der Erfassung zu beteiligen?
Nur durch eine erneute und wiederkehrende Beteiligung stellt sicher, dass wir als Stadt eine Entwicklung feststellen können. Wir können ablesen, wo wir bereits sehr konsequent sind, wo wir uns verbessert haben und wo noch „Nachholbedarf“ gegeben ist.
Gehen Sie dieses Mal ähnlich vor?
Mit den Erfahrungen aus dem Vorjahr konnten wir zwar die Erfassung etwas individueller gestalten, allerdings brauchen Optimierungsprozesse innerhalb der Verwaltung einen längeren Zeitraum. Es hat sich aber schon jetzt gezeigt, dass es sich lohnt, sich permanent für die nachhaltige Beschaffung einzusetzen. Fortbildungen zu konkreten Produktgruppen, Würdigung von beispielhaften Beschaffungsvorgängen und eine Verwaltungsleitung die dahintersteht - das sind aus meiner Sicht die wichtigsten kurzfristig umsetzbaren „Instrumente“, um den Prozess vorwärts zu bringen.
Können Sie eine erste Zwischenbilanz für 2021 ziehen?
Wir werden wohl in der Summe zwischen 2019 und 2021, d.h. in einem dreijährigen Zeitraum eine Gesamtsumme von knapp 1 Mio. Euro erreichen, die wir nachweislich für nachhaltig hergestellte Produkte verwendet haben. Zu berücksichtigen dabei ist, dass dies kein „amtlich festgestelltes Ergebnis“ ist, denn dazu sind viele Erfassungen leider noch zu umständlich und daher zeitaufwendig und lückenhaft. Deshalb kann es noch keine Berechnungen geben, den Anteil am Gesamtbeschaffungsvolumen darzustellen. Ich denke aber, dass wir dennoch auf einem guten Weg sind, die Beschaffungen nach und nach nachhaltiger zu gestalten.
Wo sehen Sie Unterstützungsbedarf im Erfassungsprozess?
Der Erfassungsprozess kann aus meiner Sicht nur dann in Richtung einer vollständigen Analyse der Beschaffung gehen, wenn die Vorgänge stärker gebündelt und durch ein elektronisches Auswertungs- und Monitoringprogramm unterstützt werden. Auch eine zentrale Beschaffungsstelle würde diesen Prozess beschleunigen und vereinfachen.
Wie würden Sie mit drei Sätzen andere Kommunen für die Teilnahme an der Erfassung überzeugen?
Nutzen Sie die Unterstützung der Entwicklungsagentur, geben Sie die Koordinierung in die Hände einer überzeugten Person in Ihrer Verwaltung, würdigen Sie die Kolleginnen und Kollegen, die nachhaltig beschaffen, freuen Sie sich über die wohlwollende Darstellung in der Presse und haben Sie ein gutes Gefühl, unsere Welt ein bisschen besser gemacht zu haben!