Suche
Close this search box.
13.569.975€ in 2022
100%

News

Kommunen gehen große Schritte Richtung bio-fair-regionale Lebensmittel

3. August 2023
News

Kommunen gehen große Schritte Richtung fair-bio-regionale Lebensmittel

Im Interview: Merle Kamppeter, Referentin für nachhaltige Agrarlieferketten und sozial-verantwortliche öffentliche Beschaffung von Lebensmitteln bei der Romero Initiative (CIR).

Kurzinformation zu Frau Kamppeter: Merle Kamppeter ist Referentin für nachhaltige Agrarlieferketten und sozial-verantwortliche öffentliche Beschaffung von Lebensmitteln bei der Romero Initiative (CIR). In Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Zentralamerika und Brasilien kümmert sie sich unter anderem um die Durchführung von Studien, die Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen im Agrarsektor aufdecken. Außerdem ist sie viel in Kontakt mit Kommunen und berät bei der sozial-verantwortlichen Beschaffung von Lebensmitteln, aktuell führt sie gemeinsam mit der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) und ressourcenwunder z.B. Vertiefungsschulungen durch.

Frau Kamppeter, könnten Sie uns kurz erläutern, welche Arbeit die Romero Initiative (CIR) leistet?

Kamppeter: Die Romero Initiative (CIR) ist eine entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation, die sich seit über 40 Jahren für einen ganzheitlichen Wandel hin zu einem gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem einsetzt. Einerseits unterstützen wir dazu Partnerorganisationen in Zentralamerika bei ihrer Projektarbeit. Andererseits setzen wir uns in Deutschland mit Bildungs- und Kampagnenarbeit dafür ein, die Menschen- und Arbeitsrechtssituation in globalen Lieferketten zu verbessern. Wir arbeiten in diesem Kontext zu verschiedenen Themen, wie Kleidung, Rohstoffe, aber auch Lebensmittel.

Der 3. Marktdialog nachhaltige Beschaffung der Entwicklungsagentur Faire Metropolregion hat gezeigt, dass immer mehr Kommunen großen Wert auf bio-fair-regionale Verpflegung legen. Warum ist dieser Bereich in der nachhaltigen Beschaffung Ihrer Meinung nach so wichtig und wo unterstützt die Romero Initiative Kommunen speziell im Hinblick auf den Verpflegungsbereich?

Kamppeter: Die bio-faire Verpflegung ist ein wichtiger Bereich der fairen Beschaffung, da Lieferketten von einigen Agrarprodukten aus den Ländern des Globalen Südens vielfach von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und Menschenrechtsverletzungen geprägt sind. Mit dem Einkauf von fairen Produkten unterstützen Kommunen faire Handelsbeziehungen und die Wahrung von Menschenrechten im Anbau und der Produktion von Lebensmitteln. Seit vielen Jahren beraten meine Kolleg:innen und ich Kommunen zu den Möglichkeiten fairer Beschaffung. Wir geben Workshops und Schulungen, begleiten aber auch bei konkreten Vergabeverfahren. Darüber hinaus erstellen wir Publikationen und Bildungsmaterialien, wie beispielsweise unseren Leitfaden zur sozial-verantwortlichen öffentlichen Beschaffung von Lebensmitteln oder auch unsere produktspezifischen Factsheets.

Können Sie uns sagen wo genau Risiken in der Lieferkette von Lebensmitteln bestehen? Es existieren viele Lebensmittel, in denen ausbeuterische Arbeitsbedingungen stecken. Gibt es hier besondere Beispiele, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht als solche erkannt werden?

Kamppeter: Risiken bestehen vor allen in Lieferketten von Produkten aus Ländern des Globalen Südens, wie Kaffee, Tee, Schokolade, Soja, Südfrüchte wie Bananen etc. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen finden an verschiedenen Stufen der Lieferkette statt, besonders katastrophal sind sie meist ganz zu Beginn der Lieferketten, also beim Anbau auf den Plantagen. Sklaverei-ähnliche Arbeitsbedingungen, fehlender Arbeitsschutz und intransparente Lohnzahlungen prägen den Arbeitsalltag vieler Arbeiter:innen. Auch bei der weiteren Verarbeitung von den Lebensmitteln, beispielsweise in Saftfabriken, kommt es zu Diskriminierung, Einschüchterungen und Arbeitsdruck. Die Gründung von Gewerkschaften und Kollektivverhandlungen ist vielfach verboten, sodass sich die Arbeiter:innen untereinander nicht organisieren können.

Welche Möglichkeiten gibt es in den Kommunen – was kann dort getan werden, um noch mehr in die Richtung bio-faire Lebensmittel zu gehen? Und wie groß ist der Hebel durch Mengen an Lebensmittelbeschaffungen in den Kommunen?

Kamppeter: Kommunen können sich mit ihren Einkäufen für faire Arbeitsbedingungen und die Wahrung von Menschenrechten in globalen Lieferketten einsetzen. Vom Eigenbedarf des Kaffees in ihren Verwaltungen, dem Empfang im Rathaus oder auch der großen Schulessen-Ausschreibung gibt es viele Möglichkeiten für die bio-faire Beschaffung von Lebensmitteln. Die öffentliche Hand (also Bund, Länder und Kommunen zusammen) gibt nach Schätzungen jährlich ca. 500 Milliarden Euro für die Beschaffung aus. Das sind natürlich nicht nur Lebensmittel, zeigt jedoch deutlich, welche Hebelwirkung auf den Markt die öffentliche Hand hat. Auch wenn Sie nicht mit der ganz großen Ausschreibung von bio-fairen Lebensmitteln anfangen: Jeder Schritt in Richtung faire Lebensmittelbeschaffung lohnt sich und ist ein Schritt in die richtige Richtung. Fangen Sie ruhig erst einmal kleiner an und steigern sich dann. Geben Sie möglichen Bieterunternehmen auch die Chance, sich auf die geänderten Forderungen einzustellen und ihr bio-faires Angebot auszuweiten.

Vielen Kommunen fällt es dennoch schwer auf nachhaltige Lebensmittel umzustellen. Gibt es Kriterien bzw. glaubwürdige Gütezeichen und Initiativen für eine faire Beschaffung von Lebensmitteln?

Kamppeter: Eine klassische Forderung ist die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen, also grundlegender Arbeitsrechte, die von der Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen festgelegt wurden. Dazu gehören z.B. das Verbot von Zwangsarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit. Da viele faire Produkte auf dem Markt jedoch über diese Mindestkriterien hinausgehen, empfehlen wir im Lebensmittelbereich auch auf die Zahlung existenzsichernder Löhne zu achten. Denn Mindestlöhne reichen meist nicht für ein Leben in Würde aus. Es hat sich sehr bewährt, bei öffentlichen Aufträgen starke und glaubwürde Gütezeichen zu fordern, wie beispielsweise von Fairtrade oder Naturland Fair. Denn leider ist Gütezeichen nicht gleich Gütezeichen und es gibt große Unterschiede, wie stark und glaubwürdig ein Gütezeichen wirklich ist. Als Romero Initiative analysieren und bewerten wir regelmäßig Gütezeichen und Initiativen im Lebensmittel- und Kleidungssektor auf www.labelchecker.de sowie in unserem Wegweiser durch das Labellabyrinth. Natürlich müssen die geforderten Gütezeichen dabei den vergaberechtlichen Grundsätzen genügen.

Wo liegen die Schwierigkeiten im Bereich der bio-fairen Verpflegung?

Kamppeter: Es herrscht immer noch Unsicherheit, welche Kriterien in öffentlichen Vergaben gefordert werden dürfen. Dabei ist ganz klar: Es kommt nicht nur auf den Preis an, es dürfen auch soziale und nachhaltige Kriterien berücksichtigt werden. Oft ist nicht klar, wie die Marktabdeckung mit fairen Produkten ist und es wird befürchtet, dass sich kein einziger Bieter auf die Ausschreibung bewirbt. Das möchte natürlich niemand. Hier bietet sich eine vorherige Marktrecherche sowie auch ein Bieterdialog an: Treten Sie mit möglichen Bieter:innen wie Cateringunternehmen in den Kontakt, erläutern Sie Ihre Gründe für die bio-faire Verpflegung und fragen Sie nach, welche Produkte die Bieter gut anbieten könnten. Denn grundsätzlich kann jeder Caterer oder Großhändler sein Sortiment um bio-faire Produkten erweitern.

Kennen Sie gute Praxisbeispiele zu bio-fairer Verpflegung? Bitte beschreiben Sie uns diese kurz.

Kamppeter: Auf Landesebene wurde in Berlin eine gemeinsame Musterausschreibung erarbeitet, deren soziale Kriterien von der Romero Initiative mitentwickelt wurden. Mit einem geschätzten Auftragsvolumen von ca. 165.000 Mahlzeiten pro Tag haben die Berliner Bezirke mit dem Schulessen an öffentlichen Grundschulen einen großen Hebel auf dem Markt für sozial verantwortlich produzierte Lebensmittel. Seit dem Schuljahr 2020/2021 werden Reis, Bananen und Ananas nun ausschließlich aus dem fairen Handel bezogen, sofern sie aus dem Globalen Süden stammen. Das entspricht etwa 30 Tonnen Reis und fast einer halben Million Bananen pro Monat.

Auf unserer Website veröffentlichen wir immer wieder Praxisbeispiele, die wir begleitet haben. Auch auf dem Kompass Nachhaltigkeit der SKEW finden Sie viele erfolgreiche Praxisbeispiele und Musterausschreibungen – z.B. die aus Berlin und von einem weiteren guten Beispiel aus Regensburg. Einige Kommunen haben in den letzten Jahren Schritte in Richtung bio-fairer Beschaffung von Lebensmitteln unternommen – nutzen Sie diesen Erfahrungspool und orientieren Sie sich an bereits gelaufenen Ausschreibungen! Das Rad muss nicht von jeder Kommune neu erfunden werden.


Zum Foto von Frau Kamppeter: @ Maren Kuiter

Haben Sie noch mehr Good News?

Wir teilen gerne Ihre Neuigkeiten zu Themen des Fairen Handels

Wenn Sie auch gute Neuigkeiten zum Themenbereich des Fairen Handels haben,
melden Sie sich gerne bei uns und wir nehmen sie in unsere Veröffentlichungen auf.

Aktuelles
Weitere News
28. März 2024
Stellenausschreibung Koordinator (m/w/d) für kommunale Entwicklungspolitik
März 2024: KEPOL Stelle in Neumarkt ausgeschrieben...
21. März 2024
Entdecken Sie die Vielfalt der Weltläden in der Metropolregion Nürnberg!
März 2024: Hier finden Sie eine umfassende Übersichtsliste für Weltläden in der gesamten Metropolregion Nürnberg....
21. März 2024
Faire Metropolregion sucht Verstärkung - Werkstudent (m/w/d) Faire Metropolregion
März 2024: Stellenausschreibung Werkstudent (m/w/d) Faire Metropolregion...
29. Februar 2024
Erste Internationale Fair-Trade-Städte-Konferenz in Afrika
Februar 2024: Drakenstein lädt vom 20. bis 22. September 2024 zur ersten Internationalen Fair-Trade-Städte-Konferenz in Afrika ein....
7. Februar 2024
Ein Blick in die Tourismusbranche: Wie Nürnberg zum nachhaltigen Reiseziel werden möchte
Februar 2024: Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel müssen auch im Tourismus mitgedacht werden. Als Antwort auf Kundenanforderungen und...
30. Januar 2024
Faire Metropolregion sucht Verstärkung - Projektmanager (m/w/d) – Schwerpunkt Wirkungsmessung Fairer Handel / nachhaltige Beschaffung
Januar 2024: Stellenausschreibung Projektmanager (m/w/d) - Schwerpunkt Wirkungsmessung Fairer Handel / nachhaltige Beschaffung...
29. Januar 2024
Faire Metropolregion sucht Verstärkung - Projektmanager (m/w/d) – Schwerpunkt Kommunikation und Veranstaltungen
Januar 2024: Stellenausschreibung Projektmanager (m/w/d) - Schwerpunkt Kommunikation und Veranstaltungen...
24. Januar 2024
Fairer Handel in Südafrika: Ein Perspektivwechsel
Im Interview: Sandra Ndlovu (Regional Communication Officer Southern Africa Network bei Fairtrade Africa) und Thembi Mnisi (Project...
23. Januar 2024
Wie fair gehandelte Früchte Entwicklung ermöglichen sollen
Im Interview: Sven Ziegler, Vertriebsleiter des Früchteimporteurs Kipepeo...
23. Januar 2024
Ein regionaler Bio-Pionier: Die Neumarkter Lammsbräu
Im Interview: Anna Neubauer, Mitarbeiterin im Liefernetzwerkmanagement der Neumarkter Lammsbräu...
23. Januar 2024
Ein Nachbarland als Vorbild: Was macht die Schweiz zum Fairtrade-Weltmeister?
Im Interview: Philipp Scheidiger, Geschäftsführer von Swiss Fair Trade...
12. Dezember 2023
Neues gemeinsames Beschaffungsziel: 15 Millionen Euro
Auch für das Haushaltsjahr 2023 setzt sich der Pakt zur nachhaltigen Beschaffung ein ehrgeiziges Ziel!...

Newsletter

E-Mail-Newsletter der Fairen Metropolregion Nürnberg

Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzbestimmungen.

Teilen

Mit dem Klick auf die Social Media Buttons verlassen Sie unsere Seite und werden zu den Webseiten der jeweiligen Plattform weitergeleitet. Die Daten werden ggf. in einem Drittland verarbeitet.