Im Interview: Linda Engel, Projektleiterin bei Engagement Global „Betreiberplattform zur Stärkung von Partnerschaften kommunaler Unternehmen weltweit“
Das Pilotvorhaben „Betreiberplattform“ wird durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert und seit Juli 2019 als Kooperationsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Engagement Global mit ihrer Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) umgesetzt.
Die Entwicklung und Durchführung der Betreiberplattform erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und der German Water Partnership (GWP).
Welche Ziele verfolgt die Betreiberplattform und wie kam sie zustande, Frau Engel?
Engel: Die Betreiberplattform soll vorrangig den fachlichen Austausch zwischen kommunalen Unternehmen der Wasserwirtschaft in Deutschland und von Partnerländern fördern.
Der Impuls für das Projekt kam von deutschen Betreibern im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung, die sich mit ihrem technologischen Knowhow in Entwicklungs- und Schwellenländern engagieren wollten. Mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und dem Verein German Water Partnership e.V. (GWP) haben sich in der Folge zwei starke Branchennetzwerke bei der Entwicklung der Betreiberplattform engagiert. Die Partner arbeiten gemeinsam um Defizite bei der Trinkwasser- und Abwasserentsorgung zu reduzieren. Die kommunalen Unternehmen in Deutschland können ihr internationales Engagement intensivieren und profitieren ebenfalls von den Erfahrungen, steigern ihre Attraktivität als Arbeitgeber mit internationalem Engagement in der Konkurrenz um knappe Fachkräfte.
Warum ist Wasser ein globales Thema?
Engel: Die Wasserkrise ist eines der größten humanitären Probleme. Obwohl von der UN als zwei gesonderte Menschenrechte verankert, haben ca. 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 3,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer angemessenen Sanitärversorgung.
Die Klimakrise verstärkt den Druck Wasserressourcen so effizient wie möglich zu nutzen, denn gerade unsere Partner im globalen Süden leiden unter zunehmender Wasserknappheit. Die Wasserunternehmen sind hier zentrale Akteure um mehr Menschen mit Trinkwasser zu versorgen.
Warum sollten sich deutsche Akteure bei der Betreiberplattform engagieren?
Engel: In der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen 17 Ziele für die globale nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals, kurz SDGs, definiert. „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten“ ist im SDG 6 formuliert. Über Betreiberpartnerschaften können die deutschen Wasserversorger einen Beitrag zu diesem Ziel leisten. Dank des umfassenden Expertenwissens ist dieser Austausch auf Augenhöhe äußerst effektiv.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist der Fachkräftemangel, der auch vor den deutschen Wasserbetreibern nicht haltmacht. Auslandsprojekte sind für viele Fachkräfte attraktiv. Sie bekommen die Chance, sich in ihrem Sachgebiet sozial zu engagieren, andere Kulturen kennenzulernen und berufliche Netzwerke aufzubauen.
Wie funktionieren diese Partnerschaften in der Praxis?
Engel: Betreiberpartnerschaften werden meist zwischen mehreren deutschen Unternehmen und einem internationalen Partner vereinbart und sind langfristig angelegt. In der Regel gibt es einen Hauptpartner auf deutscher Seite, der von einem oder zwei Co-Partnern unterstützt wird. Die Partner definieren Themenfelder für die Zusammenarbeit und legen Zielkorridore für die konkreten Projekte fest. Ein großes Problem sind zum Beispiel Wasserverluste, also nicht abrechenbare Wasserverluste durch Leckagen, Diebstahl, Rohrbrüche, unbezahlte Rechnungen oder betriebswirtschaftliche Fehler. Beispielsweise liegen im Versorgungsgebiet des sambischen Wasserversorgers Lukanga die Wasserverluste bei etwa 50 Prozent. Hier engagiert sich der deutsche Betreiber Gelsenwasser gemeinsam mit der Emschergenossenschaft und dem Lippeverband in einem Pilotprojekt, um die sambischen Partner zu unterstützen die Wasserverluste zu reduzieren.
Ein anderes Projekt läuft in Jordanien, das zu den wasserärmsten Regionen der Welt zählt. Hier arbeiten Hamburg Wasser und hanse Wasser Bremen mit dem jordanischen Betreiber Miyahuna zusammen. Erst jüngst führten Mitarbeitende von hanseWasser mit ihren jordanischen Kolleg:innen eine Energienalyse einer Kläranlage in Madaba durch, mit dem Ziel Einsparpotentiale zu identifizieren.
In Südafrika arbeitet der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband mit dem Wupperverband und der Buffalo City Metropolitan Municipality unter anderem am Thema Digitalisierung. Speziell bei diesem Projekt zeigt sich, dass der Knowhowtransfer nicht einseitig stattfindet. Die Projektpartner tauschen sich auf Augenhöhe aus und alle können ihr Wissen ständig erweitern. Auch im Bereich Trinkwasseraufbereitung gibt es mehrere Projekte. So wird in Tansania Oberflächenwasser aus dem Viktoriasee entnommen und zu Trinkwasser aufbereitet. Die deutschen Betreiber Hamburg Wasser und Netze BW Stuttgart engagieren sich bei der Optimierung der Aufbereitungsprozesse und konnten den Chemikalien- und Energieverbrauch drastisch reduzieren.
Auch in der Ukraine gibt es großen Unterstützungsbedarf. Wie können deutsche Betreiber helfen?
Über die eigentlichen Projektpartnerschaften hinaus entstehen persönliche Beziehungen. Wie wichtig das in Krisenzeiten sein kann, hat der Krieg in der Ukraine gezeigt. Die Stadtentwässerung Dresden arbeitet als Lead-Betreiber mit mehreren ukrainischen Wasser- und Abwasserunternehmen zusammen. Bereits zwei Wochen nach Kriegsbeginn schickten sie gemeinsam mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln und den Berliner Wasserbetrieben fünf große Trucks mit Notstromaggregaten für die Sicherstellung der Wasseraufbereitung an die ukrainischen Kolleg*innen in Lviv, Ternopil und Nadvirna.
Seither wurden vier weitere Solidaritätsbetreiberpartnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Wasserunternehmen ins Leben gerufen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat hierfür Sondermittel an die GIZ bereitgestellt. Die GIZ hat so mit Unterstützung des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) einen Logistik-Hub aufgebaut, um Hilfstransporte mit technischem Gerät in die Ukraine zu koordinieren. Jede Form der Unterstützung ist willkommen – auch außerhalb der formellen Zusammenarbeit im Rahmen der Betreiberplattform kommunaler Unternehmen. Ich biete allen interessierten Betreibern gerne an, sich unverbindlich über die Kooperationen und Partnerschaften zu informieren.
Zum Spendenaufruf des VKU: https://www.vku.de/ukraine-hilfe/
Kontaktaufnahme über Linda Engel, Telefon: +49 228 20 717-2635, E-Mail: linda.engel@engagement-global.de, Heiko Heidemann, Telefon: +49 (0)30 338424-115, E-Mail: heiko.heidemann@giz.de