Im Interview: Anna Spaulding, Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik bei der Stadt Schwabach ist die Geschäftsführerin des neu gegründeten Initiativkreises „Kommunale Entwicklungszusammenarbeit Afrika“ bei der Europäischen Metropolregion Nürnberg. Im Gespräch berichtet sie über die Ziele und Aktivitäten des Netzwerkes sowie die Beteiligungsmöglichkeiten für kommunale Unternehmen.
Liebe Frau Spaulding, welche Gründe gibt es grundsätzlich eine verstärkte Zusammenarbeit mit Kommunen, kommunalen Unternehmen und Organisationen in Afrika anzustreben?
Spaulding: Entwicklungspolitisches Engagement von Kommunen ist grundsätzlich freiwillig und gehört nicht zu den eigentlichen Pflichtaufgaben. Gleichzeitig müssen wir uns aber vor Augen führen, dass globale Herausforderungen, wie etwa der Klimawandel oder ungerechte Handelsbeziehungen, nur gemeinsam und auch nur mit der Beteiligung von kommunalen Akteuren bewältigt werden können. Der direkte Austausch mit afrikanischen Akteurinnen und Akteuren ist dabei essentiell, um unser eigenes Handeln kritisch zu hinterfragen, die Perspektive zu wechseln und voneinander zu lernen.
Wie kam es zu der Gründung des Initiativkreises „Kommunale Entwicklungszusammenarbeit Afrika“ in der Metropolregion Nürnberg?
Spaulding: In der Metropolregion Nürnberg gibt es eine große Vielfalt und Vielzahl an Akteuren, die sich in der entwicklungspolitischen Arbeit auf dem afrikanischen Kontinent engagieren. Darunter Migrantenvereine, NGOs, Unternehmen, Hochschuleinrichtungen, kirchliche Trägerorganisationen und nicht zuletzt auch Städte, Gemeinden und Landkreise. Dieses Potenzial haben die Städte Nürnberg, Fürth, Neumarkt in der Oberpfalz und Schwabach erkannt. Mit Unterstützung durch die Entwicklungsagentur der Fairen Metropolregion und Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde schließlich der Grundstein für die Etablierung eines offiziellen Multi-Akteurs-Netzwerkes gelegt. Initialzünder dafür war eine gemeinsam ausgetragene Partnerschaftskonferenz zu relevanten kommunalen Nachhaltigkeitsthemen im Jahr 2019 mit rund 150 Teilnehmenden aus sechs afrikanischen Kommunen und aus der Metropolregion Nürnberg.
Wo werden die Vorteile gesehen, regionale Akteure in der Metropolregion zu vernetzen, die ein solches Engagement anstreben oder sich dafür interessieren?
Spaulding: Die Vernetzung interessierter und bereits aktiver Akteure wirkt sich positiv auf die eigene Projektzusammenarbeit aus. Wichtige Erfahrungen und wertvolles Wissen der einzelnen Akteursgruppen werden im Netzwerk geteilt. So können „Neueinsteiger“ beispielsweise von erzielten Erfolgen, aber auch von Misserfolgen aus konkreten Projekten lernen. Aber auch die „Erfahrenen“ profitieren vom Facettenreichtum innerhalb eines solchen Netzwerkes. Sie lernen durch die „Brille“, also durch die Perspektive anderer Netzwerkmitglieder bestimmte Aspekte der Kooperation neu zu durchdenken.
Welche Ziele hat sich das Netzwerk gesetzt?
Spaulding: Das übergeordnete Ziel des Initiativkreises ist es, die Partnerschaftsarbeit mit afrikanischen Kommunen auszuweiten, zu intensivieren und zu optimieren. Uns ist es dabei ein großes Anliegen, Vorurteile gegenüber afrikanischen Partnerinnen und Partnern abzubauen und unser eigenes entwicklungspolitisches Handeln kritisch zu hinterfragen.
Welche Aktivitäten wurden bereits umgesetzt bzw. sind in Planung?
Spaulding: Die Highlights aus dem letzten Jahr sind unsere Fach- und Vernetzungstreffen: Im Frühjahr konnten wir ein tolles Fachgespräch mit Auslandskorrespondentin Bettina Rühl zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Versorgungssicherheit in Afrika führen. Im Herbst erhielten wir durch die Universität Bayreuth und die Hochschule Triesdorf-Weihenstephan interessante Einblicke in die Hochschulkooperation mit afrikanischen Partnereinrichtungen. Auch im neuen Jahr 2023 sind eine Frühjahrs- und eine Herbstfachtagung geplant. Nachdem im letzten Jahr bereits eine Akteurslandkarte erstellt wurde, soll nun eine Good-Practice-Übersicht, sprich eine Sammlung an gelungenen Projektbeispielen aus der Metropolregion Nürnberg inklusive Tipps und Handwerkszeug für den Aufbau einer effizienten Projektpartnerschaft, erarbeitet werden. Und natürlich ist es unser großes Ziel, die Initiativkreisarbeit weiter zu verstetigen.
Mitglieder des Initiativkreises bei der Herbst-Fachveranstaltung 2022 im Fürther Zukunftssalon
Wo sehen Sie Beteiligungsmöglichkeiten für kommunale Unternehmen, Eigenbetriebe und städtische Beteiligungsgesellschaften in der Entwicklungszusammenarbeit?
Spaulding: Ich denke, dass den genannten Institutionen eine besondere Rolle in der technischen Beratung und beim Fachaustausch zukommt. Im Gesundheitsbereich sind zwei Projektpartnerschaften mit Beteiligung kommunaler Unternehmen bekannt: In Nürnberg hat das Klinikum Nord im Jahr 2017 eine Klinikpartnerschaft mit dem Hospital Bassar (Togo) aufgebaut. Auch im Landkreis Neumarkt gibt es seit 2019 eine Klinikpartnerschaft zwischen dem Klinikum Neumarkt und dem District Hospital Salima (Malawi). Aber auch in den Bereichen Abfallmanagement, Wasser- und Energieversorgung und Transport engagieren sich kommunale Eigenbetriebe, wie beispielsweise die Stadtwerke, entwicklungspolitisch. In Schwabach wurden kürzlich bei Delegationsbesuchen die Stadtwerke Schwabach und Roth in die Projektzusammenarbeit mit der senegalesischen Partnerkommune Gossas eingebunden und zur fachlichen Beratung herangezogen.
Wie können sich regionale Akteure, insbesondere kommunale Unternehmen, Eigenbetriebe und städtische Beteiligungsgesellschaften, in den neuen Initiativkreis einbringen?
Spaulding: Wir sind ein offenes Netzwerk und freuen uns stets über tiefere Einblicke in Beispiele wirksamer Projektarbeit, aber selbstverständlich auch über solche Beispiele, die uns lehren, einen anderen Lösungsweg zu suchen. Kommunale Unternehmen tragen mit ihrem Fachwissen dazu bei, dass wir unserem Ziel näherkommen, laufende Projektpartnerschaften zu optimieren und neue Projektpartnerschaften nach den aktuellen Standards ausrichten. Als Initiativkreis ist es uns daher sehr wichtig, dass wir kommunalen Unternehmen Raum bieten, ihre Expertise im Rahmen von Delegationsbesuchen und Fachveranstaltungen einzubringen.