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Der Teufel steckt im Detail: Was ist eigentlich nachhaltige Pflegedienstkleidung?

19. Oktober 2023
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Der Teufel steckt im Detail: Was ist eigentlich nachhaltige Pflegedienstkleidung?

Im Interview: Harald Reisinger, Geschäftsführer der Green Workwear GmbH

Warum geht der nachhaltige Einkauf von Pflegedienstkleidung uns alle an, Herr Reisinger?

Reisinger: Weil der Klimawandel uns alle angeht. Ein nachhaltiger Einkauf hat da direkten Einfluss. Man schätzt, dass Schuhe und Textilien für 10 Prozent des weltweiten CO2 Ausstoßes verantwortlich sind. Wir alle müssen uns viel stärker bewusst machen, welche Auswirkung die Herstellung und Entsorgung von Bekleidungstextilien hat. Neben den Treibhausgasemissionen bezahlen wir den Trend zu Fast Fashion und Billigbekleidung mit Wasserverschmutzung zum Beispiel durch Mikroplastik oder auch einem enormen Verbrauch an Wasser, Flächen und Pflanzenschutzmitteln beim konventionellen Baumwollanbau. Für die Herstellung eines einzelnen Kleidungsstücks fallen Tausende Liter Wasser an. Pflegedienstkleidung sollte idealerweise nicht nur nachhaltig produziert werden, sondern auch möglichst lange hygienisch wiederaufbereitet und nach ihrer Gebrauchsdauer wiederverwertet werden können.

Wie definieren Sie nachhaltige Berufsbekleidung?

Reisinger: Nachhaltigkeit steht als übergeordneter Begriff über allem. Das beginnt mit der sozialen Nachhaltigkeit. Sprich, wir prüfen bei Green Workwear, welche Auswirkungen die Herstellung unserer Kleidung auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden in den Webereien und Nähereien hat. Bei der ökologischen Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns mit der Umweltverträglichkeit, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit der Materialien, aus denen unsere Produkte bestehen. Wir verwenden ausschließlich nachhaltige Fasern wie Tencel Lyocell, recyceltes Polyester und nachhaltige Baumwolle der Initiative Cotton made in Africa.

Als „Schwesterfirma“ der Cibutex-Genossenschaft* haben wir uns bis zum Jahr 2030 die komplette Umstellung auf Kreislaufwirtschaft und die vollständige Klimaneutralität unserer gesamten Prozesse zum Ziel gesetzt. Um unsere Pflegedienstkleidung wirklich upcyclingfähig zu machen und sie nicht nur als Putzlappen wiederzuverwerten, muss sie eine ganze Reihe an Anforderungen erfüllen. Bei der Wiederaufbereitung der Stoffe werden Baumwolle und Polyester getrennt und die Baumwolle zum Beispiel in neuen Tencel-Refibra-Fasern, aus denen wiederum höherwertige Kleidung hergestellt werden kann, weiterverarbeitet. Farbreinheit ist dabei sehr wichtig, daher stellen wir nur unifarbene Teile im Standard her. Für Stickereien verwenden wir spezielle recycelte Polyestergarne, Aufdrucke erschweren das Up-Cycling und werden daher unsererseits kritisch mit dem Kunden besprochen.

* Cibutex (Circular Business Textiles) führt B2B-Alttextilien zurück in den Textilkreislauf und sorgt so für eine nachhaltigere textile Lieferkette

© Green Workwear GmbH

Muss nachhaltige Pflegedienstkleidung anders gereinigt werden?

Reisinger: Nein, die Gewebe sind getestet und halten alle zertifizierten, hygienischen Waschverfahren aus. Wir empfehlen unseren Kunden oft, helle und Pastellfarben zu wählen. Da weniger Farbpigmente ausgewaschen werden, behalten sie länger ihr optisches Erscheinungsbild und darüber hinaus wird das Wasser weniger stark belastet. 

Sehen Sie eine Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Branche?

Reisinger: Einige kirchliche und kommunale Träger haben sich das Thema glücklicherweise schon auf die Fahnen geschrieben, aber der gute Vorsatz scheitert oft an der praktischen Umsetzung. Wir versuchen, einige dieser Hindernisse durch umfassende Beratung und eine nachvollziehbare Zertifizierung unserer Produkte abzubauen. Denn nicht überall, wo Nachhaltigkeit draufsteht, ist auch Nachhaltigkeit drin.

Über die Zertifizierung nach dem Global Recycled Standard weisen wir zum Beispiel nach, dass der Anteil an recyceltem Polyester in unseren Produkten bei 100 Prozent und nicht bei der GRS Mindestanforderung von 50 Prozent liegt. Wir verwenden nicht nur ein bisschen Baumwolle der Initiative Cotton made in Africa, sondern 100 Prozent, füllen also die Gewebe nicht mit konventionell produzierter Ware oder gar Ware aus genmanipulierter Baumwolle auf. Unsere afrikanische Baumwolle wird von Kleinbauern nach festgelegten Nachhaltigkeitsstandards zum Beispiel für Bodenmanagement, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Fruchtwechsel erzeugt. Auch können die afrikanischen Bauern ihre eigenen Samen gewinnen, mit denen sie dann neue Baumwollpflanzen anbauen, statt das Saatgut teuer einkaufen zu müssen. In unseren Augen ist dies der bestmögliche Standard unterhalb von Biobaumwolle. Bei der Beschaffung von Biobaumwolle gibt es im Moment leider zwei Hauptprobleme: die Verfügbarkeit und der hohe Preis.

Welche Auswirkungen hat das Lieferkettengesetz?

Reisinger: Wir haben uns darauf schon seit einigen Jahren vorbereitet. Alle Teile unseres Pflegedienstkleidungs-Sortiments erhalten einen QR-Code. Nach dem Auslesen ist für die Trägerinnen und Träger die gesamte Lieferkette transparent mit Bildern und Adressen nachvollziehbar. Uns ist klar, dass das Lieferkettengesetz von vielen Unternehmen kritisch gesehen wird. Aber als verantwortungsvolle Bekleidungshersteller stehen wir in der Verpflichtung, den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen. Daher behalten wir auch den kompletten Produktionsprozess, angefangen beim Einkauf der Rohfasern und der Gewebeherstellung, in der Hand. Unsere Basiskollektion produzieren wir in Pakistan. Wir zahlen ausreichend Löhne und schaffen gute Arbeitsbedingungen vor Ort. Der CO2-Ausstoß der Transporte aus Pakistan wird kompensiert. Gerade bauen wir in Tschechien eine Näherei auf, damit rücken wir noch ein Stück weit näher an unsere Firmenzentrale im Allgäu heran.

Welche Nachhaltigkeitskriterien sollte eine Ausschreibung mindestens festlegen. Womit fängt man im Einkauf an?

Reisinger: Wir haben das für uns so definiert: Kleidung ist nachhaltig, wenn sie sowohl dem Menschen als auch der Umwelt passt. Daher sollte neben der ökologischen auch immer die soziale Nachhaltigkeit belegt werden. Ich empfehle, sich grundsätzlich mit den verschiedenen Textilsiegeln zu beschäftigen und diese zu bewerten. Neben den oben genannten zählen dazu beispielweise noch der Grüne Knopf und Oeko-Tex made in Green. Ich kann nur an die Beschaffungsabteilungen appellieren, das Thema Nachhaltigkeit mit anderen Entscheidungskriterien wie Tragbarkeit, Funktionalität und Preis auf eine Stufe zu stellen. Wenn die Auftraggeber Nachhaltigkeit nicht in ihren Ausschreibungen für Pflegedienstkleidung verlangen, wer soll dann den Markt verändern?


Zum Foto vom Herrn Reisinger: © Green Workwear GmbH

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