Die Stadt und der Landkreis Coburg beschaffen über eine zentrale, interkommunale Beschaffungsstelle. Wie kam es dazu?
Gerald Hellmuth: Für die Durchführung von Vergabeverfahren gibt es umfangreiche Regelungen und eine umfangreiche Rechtsprechung. Das Vergaberecht hat sich zu einer komplexen Rechtsmaterie entwickelt. Eine rechtssichere Vergabe ist daher für kleinere Kommunen und den Landkreis ohne externe Beratungshilfe kaum noch zu leisten. Um weiterhin rechtssichere Vergabeverfahren durchführen zu können, hat die Stadt Coburg deshalb im Jahr 2014 eine Zentrale Beschaffungsstelle für die gesamte Stadtverwaltung eingerichtet. In den Folgejahren kam die Idee auf, auch die Vergabefahren der umliegenden Städte und Gemeinden des Landkreises über diese Stelle laufen zu lassen. Im Januar 2018 wurde in diesem Zuge eine Zweckvereinbarung für eine zentrale, interkommunale Beschaffungsstelle zwischen der Stadt und dem Landkreis Coburg sowie dessen 16 Städte und Gemeinden unterzeichnet. 2021 wird die Stadt Coburg eine zentrale Einkaufssteuerung aufbauen und ein Katalogvergabesystem in Betrieb nehmen. Dies dient der wirtschaftlichen Abwicklung von Rahmenvereinbarung wiederkehrender Beschaffungen. Beispielsweise die Beschaffung von Büroartikeln sowie Reinigungs- und Hygieneartikeln zählt dazu.
Das Thema Nachhaltigkeit ist dabei von besonderer Bedeutung…
Hellmuth: Mit Amtsantritt von Oberbürgermeister Dominik Sauerteig erlangte dieses Thema eine große Bedeutung. Die nachhaltige Entwicklung der Stadt Coburg ist ein großes Ziel unseres Oberbürgermeisters. Dies zeigt sich auch durch den Betritt zum „Pakt für nachhaltige Beschaffung in den Kommunen der Metropolregion Nürnberg“. Der Beitritt erfolgt bereits kurz nach Amtsantritt im Mai 2020. Zur Umsetzung einer nachhaltigen Stadtentwicklung tragen auch strategische und operative Einkaufsprozesse bei. Daher ist die Zentrale Beschaffungsstelle bereits von OB Sauerteig beauftragt, ein Konzept für ein nachhaltiges Beschaffungswesen der Stadt Coburg zu erarbeiten. Hierbei sind Möglichkeiten zu prüfen, verwaltungsrechtlich (auch vergaberechtlich) sichere Wege zu erarbeiten und anschließend auch ein politisches Fundament zu schaffen. Wir arbeiten daran, dass Nachhaltigkeit zukünftig Voraussetzung für sämtliche Beschaffungsprozesse der Stadt wird. Nachhaltigkeit soll bis ins Vergaberecht wirken. Wir möchten Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibungsunterlagen einbeziehen, sodass bei der Vergabe von Aufträgen auch Nachhaltigkeitskriterien wesentliche Grundlage der Vergabeentscheidung werden. Im Sommer 2021 plant die Stadt Coburg erstmals Waren nach diesen Kriterien zu beschaffen. Nach jetzigem Stand sind das Papier, Bürobedarf und Textilien. Eine Vision der Stadt ist es, dass wir dieses System auch unseren Partnern zur Verfügung stellen. Somit wäre eine nachhaltige Beschaffung der Stadt, des Landkreises und seiner Kommunen rechtssicher und ohne weiteren Aufwand für die Partner möglich.
Aktuell prüfen Sie, wie weit Sie in Sachen Nachhaltigkeit gehen können.
Hellmuth: Nachhaltig bedeutet für uns: Beschaffung nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien. Wir versuchen das aufzubauen wie ein Pflichtenheft, an dem sich die Fachämter, Bedarfsträger und alle anderen Stellen, die an einer nachhaltigen Stadtentwicklung beteiligt sind, orientieren können. Es geht dabei auch um Fragen, wie wir es in die Wertung einfließen lassen können, wenn ein Dienstleister zum Beispiel eine Frauenquote hat oder bewusst Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt. Außerdem brauchen wir am Ende auch Werkzeuge, mit deren Hilfe wir überprüfen können, dass die Kriterien auch umgesetzt werden können. Sonst wird das Ganze ein „zahnloser Tiger“.